ROUNDUP 3: EU-Richter bringen Wettmonopol ins Wanken - Streit um Auswirkung
Mar 6, 2007 7:38 PM
(Neu: dpa-Gespräch)
Luxemburg/Berlin (dpa-AFX) - Das milliardenschwere staatliche Glücksspiel in
Deutschland muss um seine Monopolstellung fürchten. Der Europäische Gerichtshofs
(EuGH) hat private Anbieter bei der grenzüberschreitenden Vermittlung von Wetten
gestärkt und Behinderungen durch die nationalen Regierungen verboten. Die
obersten EU-Richter erklärten am Dienstag in Luxemburg ein italienisches Gesetz
für ungültig, das private Anbieter von der Vergabe von Konzessionen für
Sportwetten ausschließt. Aktien von privaten Wettanbietern legten nach dem
Urteil zu.
Das EuGH-Urteil heizte die Debatte über den deutschen Lottomarkt und den
geplanten Staatsvertrag an, mit dem 15 von 16 Bundesländern das staatliche
Glücksspielmonopol bis 2011 verlängern wollen. Es bringt den Bundesländern
jährlich mehrere Milliarden Euro in die Kassen. Die privaten Glücksspielanbieter
begrüßten den Richterspruch. Sie sehen das staatliche Lottomonopol nun auf der
Kippe. Zuspruch kam auch von der Werbewirtschaft sowie privaten
Rundfunkbetreibern.
Die staatlichen Lottogesellschaften und mehrere Bundesländer sehen dagegen
das Wettmonopol nicht gefährdet. Auch sei der geplante Staatsvertrag keineswegs
hinfällig. Schleswig-Holstein allerdings sprach von einem wichtigen Signal und
forderte, das Glücksspielwesen in Deutschland auf eine rechtlich solide
Grundlage zu stellen. Kiel hatte als einziges Bundesland den im Dezember
vereinbarten Lotto- Staatsvertrag abgelehnt. Der schließt private
Internetangebote von Lotterien, Sportwetten und Spielbanken weitgehend aus.
Das Luxemburger Gericht hatte im 'Placanica-Fall' entschieden, dass ein
britisches Wettbüro in Italien seine Dienstleistung anbieten darf. Die in
Italien praktizierte Abschottung des Glücksspielmarktes wurde für
'gemeinschaftsrechtswidrig' erklärt. Künftig müssen Mitgliedstaaten in anderen
EU-Ländern geltende Wettlizenzen auf ihrem Territorium anerkennen (Az: C-338/04,
C-359/04, C-360/04).
Der staatliche Lotto- und Toto-Block (DLTB) sieht den deutschen Weg des
Glücksspielmonopols bestätigt. 'Das Urteil betrifft die Rechtslage in Italien',
sagte Friedhelm Repnik, Geschäftsführer der Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg
und federführend für den DLTB. Das begrenzte Konzessionsmodell in Italien sei
mit dem deutschen Glücksspielmonopol nicht vergleichbar. Auch bei anderen
staatlichen Gesellschaften hieß es, nun seien 'letzte Zweifel an der
Europarechtskonformität des deutschen Glücksspielmonopols ausgeräumt'. Der
Ratifizierung des Staatsvertrages in den Bundesländern stünden keine
europarechtlichen Bedenken mehr entgegen.
Das beurteilen private Anbieter wie Tipp 24 , FLUXX oder
der Online- Sportwettenanbieter und Sponsor des Fußballklubs Werder Bremen, bwin
, anders. Der Glücksspielstaatsvertrag sei nicht mehr
haltbar. An den Börsen legten einige Anbieter kräftig zu - in der Spitze schoss
die bwin-Aktie um knapp 20 Prozent in die Höhe. Das Urteil gibt der Branche
Aufwind', sagte ein Händler. Allerdings müsse erst einmal abgewartet werden, wie
die deutsche Politik auf das Urteil reagiere. Der Präsident des Deutschen
Lottoverbandes als Interessenvertreter der Privaten, Norman Faber, erklärte:
'Aus dem Urteil gibt es nur eine Konsequenz: Dass die Bundesländer das deutsche
Lotto so lassen wie es ist und einen eigenen Sportwetten-Staatsvertrag machen.'
Dies habe auch das Bundesverfassungsgericht gefordert. Der Staatsvertrag, den
laut Faber bisher 'höchstens' vier Ministerpräsidenten unterzeichnet haben,
vernichte eine ganze Branche mit 35 000 Beschäftigten.
Auch die Werbewirtschaft forderte die Länder auf, ihr Wettmonopol
kontrolliert zu öffnen. Das Argument, der Staat müsse durch sein Monopol der
Spielsucht der Bürger entgegenwirken, überzeuge nicht. Auch der Verband Privater
Rundfunk und Telemedien wertete das Urteil als klares Signal an die Länder, sich
auf ein reguliertes Nebeneinander von privaten und staatlichen Wettanbietern
festzulegen.
Nach Ansicht des Bremer Suchtforschers Prof. Gerhard Meyer werden süchtige
Spieler besser durch das staatliche Glücksspielmonopol als durch private
Anbieter geschützt. 'In einem Monopol lassen sich Auflagen zum Schutz von
Spielern wirkungsvoller umsetzen als bei privaten Unternehmern', sagte Meyer der
dpa. Spielerschutz bei privaten Anbietern sei häufig nur als 'Alibigeschichte'
zu bewerten.
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) setzt weiter auf ein
staatliches Wettmonopol. 'Die Entscheidung zeigt, dass ein Konzessionsmodell
keine Alternative zum Glücksspielmonopol darstellt.' Anfang 2008 müsse der
Staatsvertrag wie geplant in Kraft treten. Schleswig- Holsteins
Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sagte, 'in einem bedeutenden
europarechtlichen Punkt haben wir jetzt etwas mehr Klarheit'. Die Länder seien
nun aufgerufen, 'aus dem Richterspruch die richtigen Konsequenzen zu ziehen, um
auch weiterhin aus dem Glücksspiel Erträge für den Sport, die Kultur und andere
gemeinnützige Zwecke zu generieren'./sl/rom/DP/zb
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