ROUNDUP: EuGH bringt mit Urteil deutsches Glücksspielmonopol ins Wanken
Mar 6, 2007 1:10 PM
LUXEMBURG/BERLIN/STUTTGART (dpa-AFX) - Das staatliche Glücksspiel in
Deutschland muss nach einem höchstrichterlichen Urteil um seine Monopolstellung
gegenüber privaten Anbietern auch aus dem Ausland fürchten. Der Europäische
Gerichtshof (EuGH) erklärte am Dienstag in Luxemburg ein italienisches Gesetz
für ungültig, das private Anbieter von der Vergabe von Konzessionen für
Sportwetten ausschließt.
Nach Einschätzung des Deutschen Lottoverbandes, dem Zusammenschluss privater
Anbieter, macht der Richterspruch den Glücksspielvertrag der Bundesländer
hinfällig. Der Vertrag schließt private Internetangebote von Lotterien,
Sportwetten und Spielbanken weitgehend aus. Der staatliche Lotto- und Totoblock
sieht hingegen keine unmittelbare Bedeutung für sein Wettmonopol.
Dem EuGH lag der so genannte Placanica-Fall (Aktenzeichen: C-338/04,
C-359/04, C-360/04) vor. Die italienische Staatsanwaltschaft hatte gegen drei
heimische Vermittler von Sportwetten für die britische Stanley International
Betting Ltd Klage erhoben. Diese verfügten nicht über die nötige Konzession und
die polizeiliche Genehmigung der Behörden. Die Vermittler boten in ihren
Geschäften dennoch die Möglichkeit an, auf britische Sportereignisse zu wetten.
Stanley International, das zur börsennotierten Stanley Leisure plc gehört,
verfügte über ein Lizenz der Stadt Liverpool. Das italienische Gesetz schließt
börsennotierte Unternehmen von der Konzessionsvergabe ausdrücklich aus.
Der EuGH erkannte an, dass ein Mitgliedstaat im Kampf gegen das Verbrechen
durchaus dem Glücksspielsektor Auflagen bei der Vergabe von Zulassungen machen
kann. Diese müssten aber verhältnismäßig sein. Italien verfolgt mit diesem
Ausschluss börsennotierter Unternehmen das Ziel, kriminelle Machenschaften bei
Glücksspielen zu unterbinden. Verstöße gegen die Vorschriften können mit drei
Jahren Gefängnis bestraft werden.
Die Richter beim EuGH kamen zu dem Schluss, 'dass der vollständige
Ausschluss von Kapitalgesellschaften von den Ausschreibungen für die
Konzessionsvergabe über das hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten Ziele
erforderlich ist'. Die italienischen Behörden hätten durchaus Möglichkeiten, um
verlässlich zu prüfen, ob ein ausländisches Unternehmen die Gesetze respektiere.
So könnten Informationen über die Konten und andere geschäftliche Daten der
Hauptaktionäre oder deren Vertreter eingeholt werden.
Die Richter urteilten, dass Strafrecht zwar grundsätzlich Sache der
Mitgliedstaaten sei. Ein EU-Staat dürfe bei der Strafverfolgung aber nicht die
garantierten Grundrechte im EU-Recht verletzen. Gegen die drei Vermittler hätte
die italienische Justiz also nicht Anklage erheben dürfen.
Die Mehrheit der Bundesländer wollte bisher das staatliche Monopol auf
Glücksspiele bis Ende 2011 verlängern und private Onlineangebote weitgehend
verbieten, etwa bei Sportwetten. Mit dem Verbot würde privaten Vermittlern die
Geschäftsgrundlage entzogen.
'Die Länder müssen sich endlich ernsthaft mit dem dualen
Staatsvertragssystem auseinander setzen', forderte Norman Faber, Präsident des
Lottoverbandes. Danach würde das Sportwettenrecht wie vom
Bundesverfassungsgericht gefordert neu geregelt; bei Lotto und Lotterien bliebe
es dagegen beim Lotteriestaatsvertrag von 2004.
'Das Urteil betrifft die Rechtslage in Italien', sagte der Chef der
Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg, Friedhelm Repnik. Die Toto-Lotto-Gesellschaft
in Stuttgart ist derzeit Federführer des Deutschen Lotto- und Totoblocks. Repnik
betonte, der EuGH beziehe sich in seinem Urteil auch nicht auf den neuen
Glücksspielstaatsvertrag, den die Ministerpräsidentenkonferenz am 13. Dezember
2006 beschlossen hatte. /rom/sl/DP/sb
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